Claudio Monteverdi: L’Orfeo

Sehnsucht, Liebe, Abschied und Tod

Große Oper mit kleinem Gepäck

Aufbauend auf einer langjährigen Erfahrung in gemeinsamen Produktionen und Inszenierungen präsentieren Dirigent Johannes Tolle und Regisseur Mathias Schillmöller große Oper im Cargo Format. Sieben Solisten und ein fünfzehnköpfiges Vokalensemble bilden die Formation Resonance. Den Instrumentalpart übernimmt das international renommierte und auf Frühbarock spezialisierte Ensemble Les Cornets Noirs aus Basel.

Gleich die erste Oper der Musikgeschichte trifft buchstäblich ins Herz. Im heraufdämmernden Zeitalter der Moderne geht es um die Auseinandersetzung mit Sehnsucht, Liebe, Abschied und Tod. 

Kein Stoff wäre hierfür geeigneter als die Orfeus-Geschichte. Der Macht der Musik müssen sich nicht nur die Geschöpfe der Unterwelt beugen, sondern und nicht zuletzt bei Monteverdi: auch wir.

Mögliche Aufführungsorte: Freilichttheater, Marktplätze, Theater, Konzertsäle

Termine: Juli bis September 2017 nach Absprache

 

Das Werk

Monteverdis erste Oper ist der vorläufige Höhepunkt einer radikalen Expressivität, die im 15. und 16. Jahrhundert alle Künste erfasst hatte. Schon seit etwa 1400 hatte sich auf vielen Gebieten ein neues Bild des Menschen herauskristallisiert. Im Zeitalter der Entdeckungen war aus dem viator mundi, Pilger durch die Welt, der faber mundi, Gestalter der Welt geworden. Hatte die Entwicklung der Vokalpolyphonie um 1430 noch weitgehend im Raum der Kirche stattgefunden, zeigt die Geburt des italienischen Madrigals hundert Jahre später den emanzipatorischen Prozess. Es ist der Beginn einer neuen Art von Musik. Sie erklingt nicht in Gotteshäusern, sondern an den Fürstenhöfen Norditaliens, in Venedigs Palazzi und florentinischen Adelshäusern.

Radikal ist ihr Verhältnis zur Sprache. Die Gesetze des Kontrapunkts gelten ihr immer weniger, der Textausdruck alles. Mochte die alte Musik die

Menschen erbauen – die neue will sie bewegen, erschüttern, zu Tränen rühren.

Kein Sujet erscheint in dieser Zeitenwende geeigneter als die Sage des Orpheus, dessen Klagelied sich sogar die Geschöpfe der Unterwelt beugen und dem Sterblichen Einlass gewähren.

Die „favola in musica“  - L’Orfeo  - ist ein Auftrag des Herzogs von Mantua, Vincenzo I. Gonzaga. Das Libretto verfasste einer der berühmtesten Dichter seiner Zeit, Alessandro Striggio. Nach einer vorbereitenden Aufführung in der Accademia degl’Invaghiti wurde die Oper am 24. Februar 1607 zur Eröffnung des Karnevals im Hoftheater des Herzogs uraufgeführt und am 1. März wiederholt. Die Partitur wurde 1609 veröffentlicht und 1615 von Monteverdi selbst in Venedig neu aufgelegt, was sehr ungewöhnlich war. Die erste moderne Aufführung fand 1904 in einer gekürzten Fassung von Vincent d’Indy in der Pariser Schola Cantorum statt.

Kein „deus ex machina“ - zur Fassung von Resonance

Die Urfassung der Orpheus-Sage ist grausam und ohne jedes „happy end“: eifersüchtige Mänaden - Anhängerinnen des Dionysos-Kultes - zerreißen den immerfort klagenden Orpheus. Dem damaligen Zeitgeschmack gemäß wählte Monteverdi eine harmonischere Variante der Erzählung: Apollo tritt auf, versetzt die Leier des Orpheus als Sternbild ans Firmament, holt ihn zu sich in den Olymp und gebietet ihm, sein Klagen zu beenden. 

Der Orpheus-Mythos ist dabei modern wie kaum ein anderer. Und so wollte uns das Schicksalhafte der Figur, ihr Ausgeliefertsein und Unerlöstheit nicht zur Figur des „Deus ex machina“ passen. Wir haben uns daher zu einem Eingriff in den Schluss des 5. Aktes entschieden. Zwei Madrigale Monteverdis, beide aus der Entstehungszeit des Orfeo, ersetzen Apollos Auftritt. Sie stehen für Facetten moderner „Bewältigung des Unbewältigbaren“: Resignation, aber auch Sublimierung und wechselnde Perspektiven zwischen Empathie und Distanzierung. Inspiriert dazu hat uns eine überlieferte Variante der Orpheus-Erzählung: nachdem die Mänaden den Körper des Orpheus zerrissen hatten, warfen sie seinen Kopf in einen Fluss, doch sang dieser weiter seine Klage - bis sein Kopf endlich an die Ufer einer Siedlung gespült wurde. Hier gebot Apollon, seinen Sohn zu schweigen. Und hier  - so die apokryphe Variante – wurde Homer geboren, nicht nur der leidenschaftliche Sänger des Orpheus-Mythos, sondern auch derjenige, der diesen Mythos für die Nachwelt aufschrieb und gleichsam objektivierte. 

 

Eine Produktion des Ensemble Resonance
7 Vokalsolisten, Vokalensemble à 15
Les Cornets Noirs
Inszenierung: Mathias Schillmöller
Musikalische Leitung: Johannes Tolle

 

Zum Download des Exposés